13.12.2006

Moldawientrip 1998 /  Moldova in 1998

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Im Herbst 1998 ging's nach Moldawien. Tanja war dort stationiert und für einige Wochen in Deutschland im Urlaub. Nicolae, ein Freund, hatte in Kiel für schmales einen guten Lada Samara gezogen und der sollte nun in seine Heimat gebracht werden. Tanja und er im Ford Transit, Oleg und Ala  in einem Jetta und Klaus, Marina (auf Heimfahrt von ihrer Fehmarn-Au-Pair-Stelle), Ulrike und ich in besagtem Lada. Unnötig zu erwähnen, daß alle Fahrzeuge außerdem noch mit allerlei Goodies gepackt waren; kein Stauraum blieb leer. Angenommene Fahrzeit: 3 Tage, da wir die Nächte nicht durchfahren wollten.

Tag eins war die Etappe von Kiel bis kurz hinter Passau, wo wir spätabends ankamen und in einer kleinen Pension nächtigten. Oleg und seine Frau wollten in einem kleinen Ort in Bayern im Wagen pennen, das konnte denen aber ausgeredet werden. Klar, hängt die Kohle knapp bei Leuten aus MD, aber in Bayern als Osteuropäer in einem Wagen schlafen - den Ärger kann man vermeiden. Also Nachtruhe in Pension. 

Am nächsten Morgen ging's weiter, vorbei an Wien nach Ungarn, vorbei an Györ, Tatabánya und Budapest, hinter BP runter von der Autobahn (die eh nur ein kurzes Stück fertig war) und Landstraße über Szolnok bis kurz vor die rumänische Grenze bei Oradea. Dort durfte nochmal sauber geschlafen werden - Rumänien sollte an einem Tag und möglichst ohne Dunkelheit durchquert werden.

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Das ging insofern schief, das wir erst um 0800 morgens aus der Pension aufbrachen und die rumänische Grenzabfertigung anstand, die sicher etwas dauern würde. 

Dank diplomatischer Vorzugsbehandlung ging's dann doch ein wenig schneller, aber es musste, wie schon in Österreich irgendwas eingekauft werden. Im achsogroßen Grenzshop. Ich wartete im Wagen. Ne Stunde später ging's dann weiter. 

Nun Fahrt durch Oradea. Das ging noch, alles gut ausgeschildert. Nun hieß es "Flamme machen" Richtung moldawische Grenze. Klaus war der Meinung, er is dort Profi und fährt sehr gut in RO. Immerhin hat er ein Buch geschrieben über die moldawische Wirtschaft und die Politik, oder so. Ich fand, er fuhr lausig. 

Auf grader Strecke ging's, aber warum man am Hügel extrem langsam schleichen muß, war mir schwer verständlich. Naja, Fresse halten und durch. Cluj-Napoca (Klausenburg) wurde durchfahren, in Turda hieß es aufpassen, die Strecke nach Tirgu Mures, Piatra-Neamt und Bacau nicht verpassen. Die war genial! In den weiten Tälern der Flüsse Mures und Bistrita passierten wir links und rechts unzählige Beton-/Zementwerke. Kleine Dörfer allenthalben und immer wieder Esel- und Pferdefuhrwerke. Der Verkehr bremste uns ansonsten nicht aus - er war kaum existent! 

Noch weit vor Piatra-Neamt wurde auf eine kleine Strasse ausgewichen, die uns über die Karpaten nach Iasi führen sollte. Auf der Passhöhe der Karpaten am Lacul Rosu, dem rosanen See, entstanden die ersten drei Bilder des Berichts. 

  • 1=Toby am eingeschmuddelten Lada

  • 2=Die Passstraße. Nicht befahrbar für Fahrzeuge über 2,50m Höhe, wegen Felsüberhängen!

  • 3=Kleiner Markt für Reisende

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Auf der Ostseite der Karpaten wurde es dann langsam, aber sicher dunkel, und, als wir  vor Iasi, der rumänischen Grenzstadt irgendwie die anderen verloren, kam doch ein wenig Panik bei Klaus auf. Dunkelheit und das Grenzgebiet -  zwei Anzeichen für böse Buben. Seiner Meinung nach. Mir egal. Die Mädels waren eh ruhig. Ich machte mir nur fast ins Hemd, wenn mal wieder im fahlen Schein der Ladafunzeln, ein unbeleuchtetes Fuhrwerk auftauchte und den Fahrer zu abrupter Bremsung, bzw. Lenkmanöver nötigte. Krass war ein Hansl (vermutlich der örtliche Aushilfsvampir), der meinte, im schwarzen Ledermantel, über die Straße laufen zu müssen. So ca. fünf Meter vor dem Auto! Depp. 

Vollkommene Panik, ob der Geschichten um Rumänenmafia und große Autos, die einen verfolgen, gab es dann, als uns ein roter Audi 100 mit verdunkelten Scheiben hart überholte und uns Schnitt. Nach wenigen Minuten überholte er uns wieder, kam uns noch mal entgegen und fuhr uns ne Zeitlang hinterher. Meine Meinung: Der hat sich auch verfahren. Wir hatten die anderen nämlich verloren, bzw. waren die uns, dank überragender Ortskenntnisse irgendwie davon gefahren. Ich behaupte mal, Klaus konnte nicht fahren, bzw. hat es nicht auf der Kette in einem vollbeladenen Wagen die Gänge auszufahren und stand fast an jedem Hügel. 

Der Audi. Vielleicht hat er auch bloß die Lage sondiert, wieviele Leute im Wagen sitzen und wie er uns am besten stoppen könnte? Vielleicht hat auch seine Maschinenpistole geklemmt. Und wieso soll nur einer in der Karre gewesen sein? Jedenfalls kriegten wir dann endlich doch noch den Weg zur Grenze raus und als wir uns am leeren Übergang gegen 2200h einfanden, waren die anderen doch recht beruhigt, uns heil zu sehen und auch unruhig ob des roten Audis, der uns eine gute Stunde beschäftigte und nun in einiger Entfernung, aber in Sichtweite hinter der Grenze, stehen blieb.

An der Grenze dann ein Zöllner, den meine Schwester schon von einigen Grenzpassagen her kannte. Smalltalk. Wir löhnten unsere 80US-$ für das Visum und um Mitternacht wurde die letzte Etappe, die 100km nach Chisinau, in Angriff genommen. Diesmal gesittet im Entenmarsch. Irgendwann gegen 0200h wurde das Endziel ohne weitere Vorkommnisse erreicht und wir warfen Klaus ab, brachten Nicolae nach Hause um seinen Ford-Transit abzustellen, verabschiedeten uns bei Oleg und Ala und Nicolae brachte uns zu Tanja in die Ulitzka Frumoasa, wo wir von Olga der Haushälterin und Tanjas Hunden Lucy und Macharena freudig empfangen wurden. Auto ausladen (Nico nahm den gleich wieder mit zum Automarkt) und erstmal todmüde zu Bette.

Toby und Macharena beim allmorgendlichen Begrüßungsritual. Morgens immer frisches Weißbrot, was am nächsten Tag uralt war und allerlei Goodies wie importiertes Nutella und rumänische Coke. Lang geschlafen wurde sowieso, nur wenn die Herbstsonne allzuheftig brannte, dann konnte man es im unisolierten zweiten Stock kaum aushalten. Das Kläffen der dämlichen Tölen in der Nachbarschaft tat sein übriges zum Wachwerden.

 

Jeden Tag wurde Chisinau zu Fuß erkundet. Riesige, fünfstöckige, russische Kaufhäuser ohne (!) Rolltreppen, noch riesigere Kriegsdenkmäler, Marktplätze, Bücherstände, Maler, die ihre Kunstwerke anpreisen, O-Busse am "Bulevardul Stefan cel Mare", ein wunderschöner Stadtpark und zum Feierabend wurde Tanja dann von der Arbeit abgeholt. Dann ging's heim, es wurde gekocht, gegessen, getrunken und gelacht, oder wir gingen in ein Restaurant und trafen uns dort mit anderen zum essen, trinken und lachen. Im allgemeinen wurde viel gelacht.

Anhänglichkeit wird bei Macharena groß geschrieben. 
Beim Verlassen des Hofes jeden Tag das gleiche Spiel.
Ein Hund aus der Nachbarschaft endete so. Sowas macht niemand weg. Würg.
Unten, am Straßenende, diese offenen Gullydeckel. Rad- und Motorradfahrer gibt's dort nicht. Und, damit man weiter staunt: Einen Bürgersteig gibt's auch nicht. Einfach nur eine fette Betonplatte quer über die Strasse, das dient nicht nur als Fußweg, sondern im Winter auch dazu, die den Berg runterschliddernden Autos davon abzuhalten, in dem dahinterliegenden Grundstück einzuschlagen. 

Ein Spießrutenlaufen zwischen Tierleichen, Autowracks, Gullylöchern und Wildwasserläufen. In dieser Straße leben meist Diplomaten. Ob man hier nach alter sowjetischer Art versucht, eine Gleichstellung zum Pöbel Arbeiter und Bauern zu erwirken?...

Das ist sie in ihrer ganzen Pracht, die Ulitzka Frumoasa, die "schöne Straße"! Im W123-Forum wurde geäußert, das es sich bei diesem ausgebeinten Wrack um einen 190er Mercedes handelt. Das laß ich mal so stehen, obwohl ich seinerzeit eher an einen W123 dachte. Ein oller Benz allemal. Welch ein Ende - da dürfte keine Schraube mehr dran sein!

Die Straße ist übrigens immer naß. Das kommt von einem Rohrbruch etwa in Höhe von Tanjas Haus. Im Sommer staubt es nicht so. Toll. Aber im Winter: Das Wasser gefriert. Da es aber nicht am Auslaufen gehindert wird,dringt auf eine entstandene Eisbahn immer neues Wasser, welches ebenfalls gefriert. Dem Verfasser liegt ein glaubhafter Bericht vor, das im Winter ein Verlassen des Grundstücks mit dem Auto NICHT möglich war, da auf der Straße ungefähr ein halber Meter Eis war (In der Höhe!). Und das bis runter. Heißt in etwa, daß im Winter die Anwohner ihre Wagen nicht nutzen konnten, da eine Schnee- und Eisbeseitigung, wie wir sie in D kennen, dort unbekannt ist. 

Was auf der Straße rumliegt/oxidiert, scheint niemanden zu interessieren, ist aber auch der Verbreitung von Seuchen (im Falle des verwesten Köters) nicht wirklich hinderlich. Wenigstens gibt's für den Reisenden aus dem fernen Deutschland sehr viel zu kukn, wenn auch der Tourismus mangels lohnender Reiseziele, aus den Babyschuhen nicht rauskommt. 

Die Gegend hat, vom Baustil her, ein irres Design, und ist eher als "trashig" zu bezeichnen. Brutaler Ostblock eben. Jeder versucht sich so durchzuwurschteln und das Land Moldawien (aka "Armenhaus Europas") scheint einfach nur weiter bergab zu rutschen. Bei einer Dienstleistungsquote von, seinerzeit, über 60% - das muß ja in die Hose gehen...

Da. Abgefahren: Der Präsidentenpalast. Eigentlich herrscht hier, wie fast überall bei öffentlichen und militärischen Einrichtungen im Ostblock, striktes Fotografierverbot, aber schließlich wurde auch hier die  dooftouristische Lösung hergenommen, daß ja nicht der Bau aufs Bild sollte, sondern ein Bild von Don Toby gemacht wurde. Is ja auch'n smarter Bengel, gell?...
Auf dem armenischen Friedhof eine ganze Reihe von imposanten Grabsteinen. Wie meiner wohl eines Tages aussehen könnte - so mit Bild!?
Fußball ,14. Oktober 1998 in Chisinau EM-Qualifikation. Deutschland schruppt Moldawien mit 3:1. Zur Unterstützung der Gurkentruppe wurde Toby zum Plakatmaler abgestellt. Schmierereien liegen ihm gut und ab ging's. Zwei Tage harte Arbeit um alle Gruppen einzubeziehen. 
So sah das fertige Produkt aus. 

Das Stadion durfte nur auf den Längstribünen besetzt werden (Einsturzgefahr) und in der Halbzeit ging's zum Pieseln zur Herrentoilette. Das hätte ich mir mal schenken sollen. Ein Raum ohne Licht, beim Reinlatschen schon so ein Laufgeräusch durch Wasser. behutsames Vortasten an eine Wand und abschlagen, so wie es alle anderen, schätzungsweise fünfzig,  Struller auch taten. Es war so zappenduster - und eine Pinkelrinne war nur zu erahnen (vermutlich an den Wänden)! Und der Gestank. Üarghs. Hart an der Kotzgrenze. Hätte wohl auch niemanden belastet, wenn ich hätte göbeln müssen. Nachdem Spiel ging's noch zur obligatorischen Siegesfeier, zu einem von Tanjas Kollegen, wo wieder getrunken und gelacht wurde.

Ein Ausflug führte uns in die moldawische Provinz Transnistrien, mit der Hauptstadt Tiraspol, östlich des Flusses Nistru/Dnjestr. Hier wurden von deutschen und rumänischen Truppen im zweiten Weltkrieg unter dem Vorwand der Deportation, die rumänischen Juden hingeschafft und grausam ermordet. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Lossagung Moldawiens von selbiger, wollte Transnistrien bei Russland bleiben und es kam zu einem Bürgerkrieg. Ziemlich bekloppt, denn Russland war ja nun weit; Immerhin ist die Ukraine ja noch dazwischen! Nun ja, die abtrünnige Provinz ist abtrünnig und die Leute sind bettelarm. Russland unterstützt nix mehr, aber man gibt sich kommunistisch, bzw. hält Mafiastrukturen aufrecht.

Vorbei an alten, nicht fahrbereiten, aber schussbereiten und besetzten Panzern die teilweise bis zum Turm im Erdreich verbuddelt sind {gegen den Feind im Westen (MD) haha}, Grenzkontrollen mit irrwitzig-niedrigen Bakshishzahlungen und lustigen fantasieuniformierten AK47-Trägern, bleierten wir in die Stadt Tiraspol. Das einzige Auto weit und breit und dann noch ein Großer aus dem Westen mit diplomatischem Kennzeichen: Boah - ham die Leute geglotzt! 

Was mir noch auffiel, als altem Eisenbahnfreund: Alle Linien sind mit Oberleitungsmasten aus Beton ausgestattet, aber trugen keine Oberleitung. Meine Nachfrage nach dem Wieso wurde mit der Gewinnung exportfähiger Stoffe beantwortet. Die kupferhaltigen Leitungen wurden schlicht und einfach verscherbelt - Strom gibt's ja eh keinen.

 

Am gemeinsten ist mir am Rande des Marktes ein Bild in Erinnerung: Eine alte Omi (ca. 80 Jahre alt) sitzt dort und verkauft was. Klar, machen alle. Versuchen sie zumindest. Aber diese Oma hatte auf einem kleinen schmuddeligen Deckchen keine 500gr Nudeln vor sich und alles zottelt an ihr vorbei. Nudeln kann/will sich auch heute keiner leisten und die Omma verhungert(?)! Irgendwie ergreifend.
Der Fleischstand im Markt stinkt zum Himmel und wir doofen Diplo-Touris gehen in ein Lokal unter Tage, das vermutlich früher ein Kühlkeller war. Geil ist das Schild neben der Tür. Fiel natürlich dem bewaffneten Mafiosi hinter der Tür gleich dumm auf, daß wir da fotografierten, aber: Hey, is doch nur Tanjas Bruder, der hier geknipst wurde. Und während die Bevölkerung hungert und keine Jobs hat, schlürften wir ne kalte Coke.

 

Nach zwei Wochen ging es heim per Flugzeug mit Air Moldova nach Frankfurt/Main und von dort aus mit nem Mietwagen nach Kiel. Wir hatten mal so ganz was anderes erlebt.

Dieser Bericht entstand im Dezember 2006 und es können sich kleine Fehler eingeschlichen haben, ich habe aber versucht, die Reise so genau wie nur möglich zu rekonstruieren - ist ja immerhin schon 8 Jahre her. Vielleicht kann ich noch an ein paar mehr Bilder mehr rankommen. Die reich ich dann nach.